Viren mutieren. Das ist ganz normal und kein Grund zur Panik. Es macht uns das Leben mit SARS-CoV-2 schwerer, aber nicht hoffnungslos. Gerne wird die Mutationsfreude der Covid-19-Erreger als Ausflucht genutzt, um sich die Impfung zu sparen, aber der Weg ist genau anders herum zu suchen: Alle impfen, weltweit und am besten auf Kommando – jetzt!
Hohes Mutationspotential
Das Erbgut besteht bei SARS-CoV-2 aus 30.000 RNA-Nukleotiden, „was im Virenreich riesig ist. Zum Vergleich: Bei HIV sind es 10.000 Nukleotide, bei Influenza 14.000.“ (1)
Es gibt hunderte SARS-CoV-2-Mutationen, wichtig sind aber nur die mit den sog. Escape-Mutationen:
„Das sind Veränderungen im Erbgut, die dazu führen, dass Antikörper, die nach einer Impfung oder einer Infektion gebildet wurden, weniger wirksam sind. (Die Erbgutveränderungen führen dazu, dass Antikörper die Viren nicht mehr so effizient binden und unschädlich machen können).“ (1)
Was eine Escape- oder Flucht-Mutation ist, zeigt anschaulich der etwas ältere Beitrag von Martin Moder, der noch keine Delta-Variante* kennt, aber das Prinzip trotzdem gut darstellt (2):
In dem Video wird außerdem plastisch dargestellt, dass es bei der Immunabwehr nicht nur auf die Antikörper ankommt, sondern auch auf die T-Killerzellen. Letztere werden aktiv wenn das Virus bereits in die Zelle eingedrungen ist. Allerdings nur, wenn die T-Zellen „trainiert“ worden sind, was durch eine Impfung oder eine Erkrankung passiert. Dank der T-Zellen bietet auch eine niedrige Wirksamkeit eines Impfstoffes einen Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf.
VOCs und VOIs
Die WHO klassifiziert die SARS-CoV-2-Escape-Mutanten in zwei Gruppen: (1)
- Variant of Concern (VOC), also besorgniserregende Varianten, die nachweislich ansteckender sind und zu schwereren Erkrankungen führen können
- Variant of Interest (VOI), die beobachtet werden, ob sie besorgniserregend sind bzw. werden
Aktuell gibt es folgende Variants of Concern (3):
Quelle: Screenshot am 10.08.2021 von https://www.who.int/en/activities/tracking-SARS-CoV-2-variants/
Auch die Klassifizierung wird in dem ersten YouTube-Video von Moder gut erklärt.
Mutationen und Impfstoffe
Was machen die Mutationen nun mit den Impfstoffen? Führen Sie dazu, dass die Impfstoffe unwirksam werden?
Gegen den Wildtyp von SARS-CoV-2 und der Mutation Alpha haben die Impfstoffe verlässlich vor einer Infektion geschützt. In Israel, einem Land mit früher und hoher Impfquote, zeigten sich bald aber immer mehr sog. Impfdurchbrüche, die sich anscheinend ausschließlich auf die VOC-Variante Delta, beziehen. Man spricht von einem Impfdurchbruch wenn vollständig Geimpfte sich infizieren und erkranken. Dies haben wir mittlerweile auch in Deutschland beobachtet.
Das Sciencemediacenter hat ein lesenswertes Fact Sheet dazu zusammengestellt und die Gründe für Impfdurchbrüche erläutert.
„Dass es zu solchen Impfdurchbrüchen kommen wird, ist spätestens seit den klinischen Phase-III-Studien – der Wirksamkeitsprüfung – absehbar. Darin wird untersucht, wie viele Personen aus jeder Versuchs- und Kontrollgruppe trotz Impfung beziehungsweise Placebo erkranken. Der Impfstoff Comirnaty von BioNTech/Pfizer besitzt zum Beispiel eine Wirksamkeit von 95 Prozent gegen eine ursprüngliche Variante von SARS-CoV-2. Das bedeutet nicht, dass sich fünf von 100 geimpften Probanden infizierten, sondern dass die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu erkranken, bei den Geimpften 95 Prozent geringer ist als bei den Probanden der Kontrollgruppe. Es kommt also in jedem Fall unter den Geimpften zu einer gewissen Zahl von Infektionen.“ (4)
Bei den mRNA-Impfstoffen ist eine Aktualisierung relativ einfach. Es wird bereits daran gearbeitet, die Impfstoffe für die Delta-Variante von SARS-CoV-2 zu optimieren, „indem die Antigen-Information für das Spike-Protein an die mutierte Virussequenz angepasst wird“ (1). Auch Impf-Kombinationen zwischen verschiedenen Vakzinen, z. B. die erste Impfung mit einem Vektor-Impfstoff und die Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff scheinen die Wirksamkeit der Impfung zu erhöhen. Und natürlich ist die sog. Boosterimpfung, also eine dritte Impfung, aktuell im Gespräch. Gerade bei älteren Menschen, die ein geringeres Ansprechen auf die Impfungen haben, wird es empfehlenswert sein.
Durchseuchen statt Impfen?
Einige Impfgegner bevorzugen eine Durchseuchung der Menschheit gegenüber weltweitem Impfen. Dies öffnet Mutationen Tür und Tor. Denn bis dato sind vorwiegend in Regionen, in denen viele Menschen infiziert waren, neue Mutationen entstanden.
„Durchseuchung ist der größte Gefallen, dem man einem Virus machen kann. Da kann sich das Virus richtig austoben. Durchseuchung ist quasi das „Wacken“ für Mutanten.“ (2)
Allerdings steigt auch der Selektionsdruck der Viren.“Die Empfehlungen lauten deswegen: Rasch impfen und die Fallzahlen niedrig halten – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. So zirkulieren weniger Viren und so bremst man die Entstehung von neuen Mutationen.“ (1)
Offene Datenbanken für die Forschung
„Das Viren-Erbgut ist nicht nur der Schlüssel für die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten, sondern dient auch der Kontrolle der Pandemie. Zentral ist dabei das Open-Source-Projekt Nextstrain. Das Projektteam analysiert die Genomsequenzen, erstellt Stammbäume, visualisiert Übertragungsketten und Ausbreitungswege und stellt alles online. Die Plattform CoVariants stellt zudem die die Ausbreitung der unterschiedlichen Coronavirus-Varianten in einzelnen Ländern grafisch dar.“ (1)
*Bezug auf die Delta-Variante nimmt Modler in einem späteren Video: https://www.youtube.com/watch?v=isqh1_GNqy8
Quellen:
(2) https://www.youtube.com/watch?v=Up_CvnlwLL8
(3) https://www.who.int/en/activities/tracking-SARS-CoV-2-variants/
Links:
Fake-News zu Covid-19-Impfungen – Wir klären auf!
Sensationsjournalismus und die Folgen
Impf-Burnout in den Arztpraxen
Buchempfehlung: Mai Thi Nguyen-Kim „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“
Impfstoffe und Langzeitdaten – ein Blogbeitrag von Verdareno