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DIE AUTOREN

Karen Thiel
Seit mehr als 20 Jahren bin ich als selbständige Pharma-Expertin für die Bereiche Medical-Marketing und Patient Support tätig. Ich betreue Biopharma, RX, OTC/OTX, Supplements und apothekenexklusive Kosmetik-Marken als Managerin oder Consultant. Ein besonderes Spezialgebiet von mir ist der Aufbau von Patienten-Support-Programmen. Auch Online/Social-Media-Aktivitäten im Healthcare-Bereich zählen zu meinen Kernkompetenzen. Meine Firma heißt KT Projekt. Mein Angebot sowie eine Referenz- und Projektliste finden Sie unter www.ktprojekt.de.
Dr. Martina Hänsel
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COVID-19-Impfung: schwangere Frauen impfen oder nicht?

Allgemein wird beklagt, dass die Impfkampagne in Deutschland gegen COVID-19 ins Stocken gerät. Andererseits gibt es auch Diskrepanzen, was bestimmte vulnerable Personengruppen angeht. Sollte man zum Beispiel schwangeren Frauen eine Impfung gegen COVID-19 empfehlen oder nicht? Die Fachgesellschaften sind hier anderer Meinung als die STIKO. Niedergelassene Gynäkolog*innen können Schwangeren unter bestimmten Voraussetzung inzwischen nach Nutzen-Risiko-Abwägung eine Impfung anbieten.[1]

Um die COVID-19-Pandemie langfristig einzudämmen, sind Schutzimpfungen – neben präventiven Maßnahmen – unabdingbar. Seit dem Start der Impfkampagne in Deutschland am 27. Dezember 2020 stehen mittlerweile vier Impfstoffe (zwei RNA- und zwei Adenovirus-Vektorimpfstoffe) zur Verfügung. Bis Anfang August 2021 wurden rund 53 % der Bevölkerung Deutschlands vollständig geimpft.[2] Der Anteil der Geimpften in der Bevölkerung, insbesondere in den verschiedenen Altersgruppen, ist aufgrund des unterschiedlichen Krankheitsrisikos, der anfänglichen Impfpriorisierung und den abweichenden Empfehlungen für bestimmte vulnerable Personengruppen, sehr uneinheitlich. Stark diskutiert wird insbesondere, inwieweit schwangere Frauen gegen COVID-19 geimpft werden sollten oder nicht.

Gynäkologische Fachgesellschaften empfehlen die Impfung

In einer gemeinsamen Stellungnahme sprachen sich gynäkologische Fachgesellschaften im Mai 2021 für die Empfehlung der COVID-19-Impfung für schwangere und stillende Frauen aus:[3] In informierter partizipativer Entscheidungsfindung und nach Ausschluss allgemeiner Kontraindikationen wird empfohlen, schwangere und stillende Frauen priorisiert mit mRNA-basiertem Impfstoff gegen COVID-19 zu impfen. Begründet wird diese Empfehlung damit, dass eine COVID-19-Erkrankung in der Schwangerschaft eine „ernsthafte Gefahr für Mutter und Kind“ darstellen könne. Angesichts der inzwischen verbreiteten Delta-Variante des Virus SARS-CoV-2, die mit einer hohen Infektiosität und einer erhöhten Erkrankungsrate auch bei Schwangeren einhergeht, wurde diese Empfehlung zur Impfung – vor und während der Schwangerschaft sowie im Wochenbett und in der Stillzeit – vom Berufsverband der Frauenärzte und seinem Vorsitzenden aktuell noch einmal bekräftigt.[4]

STIKO empfiehlt die allgemeine Impfung von Schwangeren nicht

Während mehrere Länder die allgemeine oder priorisierte COVID-19-Impfung von Schwangeren empfehlen, etwa Belgien, die USA, Israel und Großbritannien, haben Schwangere in der Versorgungsrealität angesichts der STIKO-Empfehlungen (Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut) in Deutschland nur erschwerten Zugang zu einer COVID-19-Immunisierung.3 Derzeit (Stand Mitte August 2021) empfiehlt die STIKO die allgemeine Impfung von Schwangeren seit der Aktualisierung im Mai 2021 explizit nicht.[5] Die limitierte Datenlage sei weiterhin „unzureichend“ für eine Empfehlung der Impfung für Schwangere. Nach Bitten der Fachgesellschaften wurde die Empfehlung aktualisiert: „Schwangeren mit Vorerkrankungen und einem daraus resultierenden hohen Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung oder mit einem erhöhten Expositionsrisiko aufgrund ihrer Lebensumstände kann nach Nutzen-Risiko-Abwägung und Aufklärung eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ab dem 2. Trimenon angeboten werden.“1

Haftungsfrage inzwischen geklärt

Mit der Aktualisierung wurde auch die Haftungsfrage im Rahmen der COVID-19-Impfung für schwangere und stillende Frauen geklärt, so dass impfende Ärzt*innen entlastet werden:[6] „Für gesundheitliche Schäden im Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung wird auch dann auf der Grundlage von § 60 IfSG eine staatliche Entschädigung geleistet, wenn diese nicht öffentlich von einer Landesbehörde empfohlen worden ist – d.h. in der Regel auch, wenn die Impfung nicht von der STIKO empfohlen ist. Dies umfasst z.B. die Einzelfallentscheidung bei der Impfung von Schwangeren …“, schreibt die STIKO in ihrem FAQ (Frequently Asked Questions)-Bereich (29. Juli 2021).[7]

Neue Nutzen-Risiko-Bewertung ab Ende August erwartet

Um Schwangere auch indirekt zu schützen, wird von der STIKO weiterhin die priorisierte Impfung von engen Kontaktpersonen von Schwangeren, insbesondere deren Partner*innen, sowie Hebammen und Ärzte*innen empfohlen.1 Die zurzeit vorliegenden Daten zu COVID-19-Impfungen in der Schwangerschaft werden kontinuierlich aufgearbeitet und einer Nutzen-Risiko-Bewertung unterzogen. Ergebnisse dieser Bewertung werden ab Ende August 2021 erwartet.7

Impfabstände werden in den USA hinterfragt

Als Abstand zu anderen Impfungen empfiehlt die STIKO einen Mindestabstand von 14 Tagen vor und nach jeder Impfung mit einem COVID-19-Impfstoff.7 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das mit der STIKO vergleichbare amerikanische Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) im Mai 2021 die Empfehlungen für zeitliche Abstände zwischen einer COVID-19-Impfung und anderen Impfungen aufgehoben hat.[8] COVID-19-Impfstoffe und andere Impfstoffe können nun ohne Rücksicht auf Mindestabstände verabreicht werden. Dies schließt die gleichzeitige Gabe von COVID-19-Impfstoffen mit anderen Impfstoffen am selben Tag ebenso ein wie die gleichzeitige Gabe innerhalb von 14 Tagen. Bis dahin galten in den USA ähnliche Empfehlungen zu einem 14-Tage-Abstand wie in Deutschland.

Keine Prüfung des Impferfolges empfohlen

Die STIKO empfiehlt bei den COVID-19-Impfungen keine Prüfung des Impferfolgs, weder nach der 1. Impfstoffdosis noch nach der 2. Impfstoffdosis.9 Derzeit sind für Geimpfte keine serologischen Korrelate definiert, die als Surrogatmarker für bestehende Immunität geeignet wären, sodass kein Schwellenwert angegeben werden kann, ab dem ein sicherer Schutz angenommen wird. Zudem wird unabhängig vom Vorhandensein von Antikörpern nach Impfungen eine zelluläre Immunität aufgebaut. Ob im weiteren Verlauf ein serologisches Korrelat für die Wirksamkeit definiert werden kann ist unsicher; auch bei anderen impfpräventablen Krankheiten (z.B. Pertussis) kann bisher kein sicheres serologisches Korrelat für Schutz angegeben werden.

Was empfehlen?

Letztlich muss – wie immer im Leben – jede Schwangere selbst entscheiden, ob sie sich gegen COVID-19 impfen lässt oder nicht. Die Zulassung für die Impfstoffe schließt Schwangere ausdrücklich nicht aus. Die Vertretungen der Gynäkologen, die „ihre“ Schwangeren am besten kennen, sprechen sich nicht nur in Deutschland klar für das Impfen von Schwangeren gegen COVID-19 aus. Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA empfehlen schwangeren und stillenden Frauen ganz aktuell sogar dringend, sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen.[10] Die STIKO, deren Empfehlungen absolut akzeptabel sind, arbeitet unabhängig, anhand einer strikten wissenschaftlichen Vorgehensweise unter Einbeziehung der gesamten wissenschaftlichen Literatur und ist demzufolge sehr gründlich. Noch im August 2021 werden Ergebnisse der neuen Bewertung zur Nutzen-Risiko-Analyse einer COVID-19-Impfung bei Schwangeren erwartet. Bis dahin gilt, dass jede Schwangere ihr persönliches Risko, wie zum Beispiel ihre Vorerkrankungen, ihre eigene Exposition, die Gefahr einer COVID-19-Erkrankung für sie und das ungeborene Kind sowie die gesellschaftliche Komponente des Impfens überdenken sollte. Falsch ist das Impfen gegen COVID-19 in der Schwangerschaft angesichts zahlreicher, auch internationaler Empfehlungen und der Meinungen der Fachgesellschaften jedenfalls nicht.

(Teile dieses Blogbeitrags entstammen einer aktuellen Pressemitteilung, die von der Autorin verfasst wurde.)

Abbildung: TawnyNina auf Pixabay

Quellen:

[1] Beschluss der STIKO zur 8. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung. Epid Bull 27/2021

[2] Waize M et al. Die Impfung gegen COVID-19 in Deutschland zeigt eine hohe Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2-Infektionen, Krankheitslast und Sterbefälle (Analyse der Impfeffekte im Zeitraum Januar bis Juli 2021), Epid Bull 35/2021

[3] Empfehlung der COVID-19-Impfung für schwangere und stillende Frauen, gemeinsame Empfehlung von 11 gynäkologischen Fachgesellschaften, 3.05.2021: https://www.dggg.de/leitlinien-stellungnahmen/stellungnahmen/empfehlung-der-COVID-19-impfung-fuer-schwangere-und-stillende-frauen-1347/ , Zugriff 26.07.2021

[4] Redaktionsnetzwerk Deutschland: Frauenärzte-Verband empfiehlt Schwangeren Corona-Impfung, 7.08.2021; https://www.rnd.de/gesundheit/schwangere-frauenaerzte-verband-empfiehlt-corona-impfung-LAKRFAZEH4SD6J6D5IFHIUZAAA.html, Zugriff 9.08.2021

[5] Beschluss der STIKO zur 5. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung. Epid Bull 19/2021

[6] https://www.dggg.de/presse-news/pressemitteilungen/mitteilung/haftungsfrage-im-rahmen-der-COVID-19-impfung-fuer-schwangere-und-stillende-frauen-geklaert-1358/, Juni 2021, Zugriff 9.08.2021

[7] https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html, Zugriff 9.08.2021

[8] ACIP May 12, 2021 Presentation Slides | Immunization Practices | CDC

[9] Robert-Koch-Institut: Durchführung der COVID-19-Impfung (Stand 29.7.2021), https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Durchfuehrung_Impfung.html, Zugriff 10.08.2021

[10] Deutsches Ärzteblatt, 12.08.2021: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/126333/SARS-CoV-2-CDC-raet-Schwangeren-dringend-zur-Impfung?rt=a27daf8bd41cb3559df5c9f872c8c8c6

 

 

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