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DIE AUTOREN

Karen Thiel
Seit mehr als 20 Jahren bin ich als selbständige Pharma-Expertin für die Bereiche Medical-Marketing und Patient Support tätig. Ich betreue Biopharma, RX, OTC/OTX, Supplements und apothekenexklusive Kosmetik-Marken als Managerin oder Consultant. Ein besonderes Spezialgebiet von mir ist der Aufbau von Patienten-Support-Programmen. Auch Online/Social-Media-Aktivitäten im Healthcare-Bereich zählen zu meinen Kernkompetenzen. Meine Firma heißt KT Projekt. Mein Angebot sowie eine Referenz- und Projektliste finden Sie unter www.ktprojekt.de.
Dr. Martina Hänsel
In der Pharmabranche arbeite ich seit mehr als 20 Jahren und bin seit über acht Jahren freiberufliche Beraterin mit Schwerpunkt auf medizinisch-wissenschaftliche Beratung, Kommunikation und Interim Management. Außerdem absolviere ich einen Master-Studiengang Regulatory Affairs.

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When headlines suck!

Richtig, die Headline dieses Blogs „sucks“ natürlich auch. Sie soll „um Teufel komm raus“ Aufmerksamkeit erzielen. Klar. Deshalb nutzen Medien, egal ob online oder gedruckt, knallige Headlines. Headlines sollen bewirken, dass der Leser hängen bleibt und den Artikel liest. Allerdings: Die meisten User bleiben hängen, aber lesen den Artikel nicht. 59 % der Headline-Leser teilen in den sozialen Medien den verlinkten Artikel ungelesen. Sie teilen quasi nur die Headline, die so zum Aufreger werden kann.

Das Phänomen der reißerischen Überschriften nennt man „clickbaiting“. Nicht nur Online-Boulevard-Erzeugnisse nutzen es, sondern im Prinzip alle Medien, online oder print, seriös oder yellow. Es gibt ein Überangebot an Informationen, daher ist es umso wichtiger, dass die eigene Headline Aufmerksamkeit erzeugt.

Impfreaktionen werden als Nebenwirkungen hochgespielt

Reißerische Überschriften, z. B. über Impfreakionen oder Nebenwirkungen von Covid-19-Impfstoffen, können zu Verunsicherungen bei Impfzweiflern führen. Angsteinflößende Headlines, beispielsweise über die Pandemie oder zum Klimawandel, wühlen Menschen auf statt zu informieren. Stimmungsmache statt Information.

Während der Corona-Pandemie sehen und lesen wir täglich neue Aufreger in den Zeitungen, im Fernsehen und vor allem in den sozialen Medien. Jede mögliche Nebenwirkung der Impfstoffe wird hochgespielt. Dass diese Nebenwirkungen sehr selten sind, viele davon Impfreaktionen und somit harmlos sind, können Menschen oft nicht richtig einschätzen. In unserem Blogartikel Kann man sich bedenkenlos gegen Covid-19 impfen lassen? ist eine übersichtliche Tabelle aufgeführt, in der die Häufigkeiten von Nebenwirkungen klassifiziert sind. Was Impfreaktionen, was Nebenwirkungen und was Impfschäden sind, zeigen die FAQs von www.infektionsschutz.de.

Ein eher harmloses Beispiel einer nicht passenden Überschrift ist über dem FAZ-Artikel in Facebook vom 12.08.2021 zu finden. Liest man nur die Headline „Aufregung um mögliche BioNTech-Nebenwirkungen“ des Artikels kann es für den einen oder anderen Impfzweifler eine Bestätigung für die eigene Impfangst sein. Jedoch steht in dem Artikel, dass es sich um eine Routine-Prüfung möglicher BionTech-Nebenwirkungen der EMA handelt. Das bekommen die meisten aber gar nicht mehr mit. Eine bessere Headline wäre gewesen: „EMA führt Routine-Prüfung zu Impfstoff-Nebenwirkungen durch – Gewinnmitnahmen registriert“. Diese Headline wäre neutral, aber eindeutig langweiliger und ziemlich lang gewesen.

 

Mehr Klicks durch Aufreger

Nicht nur Publikumsmedien bieten fragwürdige Headlines. So titelt das Fachmedium aerzteblatt.de in Facebook, dass jeder zehnte Coronapatient in den deutschen Kliniken trotz Impfung erkrankt ist. Natürlich ein Aufreger und eine Bestätigung für Impfängstliche. Liest man den Artikel, wird über die geimpften Covid-19-Erkrankten berichtet: „Die Mehrheit werde auf den Normalstationen behandelt, einzelne Fälle gebe es aber auch auf den Inten­sivstationen, fügte Karagiannidis hinzu. „Hier liegt die Zahl derzeit im unteren einstelligen Bereich.“ Bei diesen vereinzelten Fällen handele es sich etwa um Patienten mit einer eingeschränkten Immunantwort, zum Beispiel in Folge einer medikamentösen Dämpfung des Immunsystems.“

 

Wie wäre also die Headline: „Impfdurchbrüche: Hospitalisierung von Patienten mit eingeschränkter Immunantwort“?

Die Welt, eine Publikumszeitung, titelt ähnlich wie die Ärztezeitung, wie der Screenshot auf Facebook zeigt. Noch dazu erweckt das Bild einer Intensivstation Panik. Die vielen Monitore und Schläuche sind für Laien sehr beängstigend.

Aber die bessere Headline liefert die Welt direkt selbst in einem weiteren Artikel: „Großteil von Covid-Patienten in Kliniken ungeimpft – aber auch Geimpfte auf Intensivstation“.

Clickbaiting bei Wissenschaftsartikeln

Warum unterliegen auch Fach- und Wissenschaftsmedien dem Gebot der reißerischen Headlines? Der Wissenschaftsjournalist Peter Praschel meint dazu:

„So bleibt einem verzweifelten Wissenschaftsredakteur nicht sehr viel anderes übrig, als seinen Bericht über den Vorbeiflug eines Asteroiden in 80.000 Kilometer Entfernung mit der Schlagzeile „Gewaltiger Einschlag droht: Megaasteroid auf Kollisionskurs mit der Erde“ ins Rennen zu schicken. Wenn der erste Eindruck nicht sitzt, können wir keinen zweiten mehr machen. Das Problem ist: Sobald die Überschrift knallt, wird sie auf den sozialen Netzwerken geteilt und von erstaunlich vielen Lesern angeklickt, die dann in nicht mehr ganz so knalligen Artikeln landen. Und schon wird ein Nagel mehr in den Sarg geschlagen, in dem der Journalismus beerdigt wird. …

In großzügigeren Zeiten, in denen Journalisten noch einen Vertrauensvorschuss bekamen, konnten sie bieder daherkommen und wurden dennoch wahrgenommen, zumindest angelesen.“

Die Entwicklung ist schade, lässt sich wahrscheinlich aber nicht mehr rückgängig machen. Es müssten ja alle an einem Strang ziehen und dann würde der eigene Artikel vielleicht nicht mehr auffallen.


Links

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Fake-News zu Covid-19-Impfungen – Wir klären auf!

Sensationsjournalismus und die Folgen

Die Geister, die die Medien riefen – Mangelndes Vertrauen in die Medizin


Titelbild: Bild von Dr StClaire auf Pixabay

4 Kommentare

  1. Auch hier zum reißerischen Thema der Impfdurchbrüche der Hinweis auf die heute auf Pharma-fakten.de veröffentlichte Statistik aus England (https://www.pharma-fakten.de/grafiken/detail/1135-covid-19-die-impfung-wirkt/):
    „In England sind zwischen Januar und Juli 51.281 Menschen an den Folgen ihrer SARS-CoV-2-Infektion gestorben. Der Anteil der nicht oder nicht vollständig Geimpften liegt bei 98,75 Prozent. … Der Anteil der Toten in England, die vollständig geimpft waren ist: 1,25 Prozent.“

    Auch die Berichte von der 2-G-Clubnacht in Münster mit 86 Infizierten (als „Super-Spreader-Party“ in die Nähe von Ischgl im März 2020 gerückt) mussten inzwischen von den so reißerisch berichtenden Medien relativiert werden: Von allen, nachweislich geimpften, Infizierten erkrankte nicht einer schwer. „Mit einer Impfung steht man auch bei einem Klubbesuch ohne Mund-Nasen-Schutz entspannter da. Die Wahrscheinlichkeit, dass man auch gesund wieder herauskommt, ist hoch.“, so Norbert Schulze Kalthoff, der Leiter des Münsteraner Gesundheitsamtes, in Spiegel online (https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/muenster-was-den-gesundheitsamtleiter-nach-der-super-spreader-party-freut-a-8e725e65-4298-4331-832c-0b12ac624578, 22.09.2021). Aber die „Super-Spreader-Party“ musste auch hier natürlich in die Überschrift!

  2. Auch diese Headline verwirrt: „Die Stiko-Mitglieder sollten zurücktreten“
    https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Die-STIKO-Mitglieder-sollten-zuruecktreten-422036.html?utm_source=dlvr.it&utm_medium=facebook&fbclid=IwAR2Pan6N9vnpzYMBU9486QOQtgsMR_pj0s0UfjaRIIR_l3Rkd4eQYMk7hME

    Nicht die Stiko-Mitglieder werden kritisiert, sondern die Politik. Wer den Artikel nicht liest versteht es aber nicht. Folgendes Zitat aus dem Artikel zeigt es:
    „Peinlich ist die Nichtbeachtung der eigenen Gesetze durch manche Politiker. Sträflich aber ist, dass die Politik sich in der Impfdebatte an der Wissenschaft versündigt hat. Womöglich mit unabsehbaren Folgen für die Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse. Wissen unterliegt immer Vorläufigkeiten. Das anzuerkennen, setzt kein erkenntnistheoretisches Propädeutikum voraus. In der evidenzbasierten Medizin gilt der Grundsatz, vieles nicht abschließend beurteilen zu können. Das ist auch das kommunikative Rubrum der meisten Wissenschaftler in der Corona-Pandemie.“

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