Jahrelang hetzten Medien gegen die pharmazeutische Industrie und Ärzte. Die Redensart „Die Geister, die ich rief“ beschreibt die Folgen. Die durch die Medien gestreuten Zweifel fielen auf fruchtbaren Boden. „Nun hat man den Salat“ und die Medien steuern endlich dagegen. Aber erreichen wir die Menschen noch, die man ins Netz auf der Suche nach Antworten getrieben hat? Ein Bericht des ZDF-Magazins Frontal 21 mit dem Titel: „Pillen, Pulver, Wunderheiler“ vom 01. Mai 2019 lässt eher Ungutes vermuten.
ZDF-Bericht über Impfgegner und Alternativmedizin
Eigentlich zwei verschiedene Themen: Impfgegner und Alternativmedizin. In dem ZDF-Beitrag wurde aber beides gleichzeitig behandelt, da es in der Tat einige Überschneidungen gibt. Impfgegner behaupten, die gefährlichen Krankheiten, wie Masern, Mumps, Röteln, Diphterie, die sich durch Impfung vermeiden lassen, können durch Nahrungsergänzungsmittel (NEM) oder ähnliche Pülverchen geheilt werden. Das ist natürlich nicht richtig, wie allgemein bekannt ist. Da einige gefährliche Erkrankungen, wie Diphterie so gut wie ausgestorben sind, fehlt der Schrecken, wie es treffend eine Wissenschaftlerin in dem Beitrag formuliert.
Aber nicht nur die Heilung schwerer Krankheiten durch NEM, sondern auch die Auslösung von Autismus durch Impfungen wird als Fakt von den Impfgegner propagiert. Impfungen können Nebenwirkungen haben, das ist richtig. Aber ein Zusammenhang zwischen Autismus und Imfpungen konnte durch Studien nicht belegt werden.
Warum glaubt man Studien nicht?
Aber diese Studien werden von den Impfgegner negiert, indem u.a. behauptet wird, die Pharmaindustrie würde die Studien manipulieren, um den eigenen Gewinn zu steigern. Unternehmensgewinn ist sicherlich ein Ziel eines Pharmaunternehmens, sonst wäre es kein Unternehmen. Dass Gewinne zum Unternehmertum dazugehören ist per se für viele Menschen, gerade in Deutschland, verwerflich und im Besonderen, wenn es um das Thema Gesundheit geht. Da wird nicht nur den Ärzten ihr Einkommen geneidet (und dieses auch noch überschätzt), nein, auch jeder Gewinn der Industrie wird als Verbrechen dargestellt.
Was sind die Gründe für den Vertrauensverlust in Wissenschaft?
Allerdings muss man sich fragen, wie es überhaupt dazu kommen kann, dass es so einen Vertrauensverlust gibt und zwar nicht nur was wissenschaftliche Studien, das gesamte Gesundheitssystem und deren Teilnehmer angeht, sondern auch was das gesamte Grundverständnis von wissenschaftlichen Zusammenhängen betrifft.
- Mangelnde naturwissenschaftliche Bildung in der Schule
- Einseitige Berichterstattung über Jahrzehnte durch die Medien
- Verschwörungsmythen, die im Internet unkontrolliert Fuß fassen können
Schule und Naturwissenschaft
Nicht nur, dass es schick ist eine 5 in Mathe zu haben, es gibt auch einfach zu wenig Stunden, die die Grundlagen von Chemie, Physik und Biologie vermitteln. Und ein Zusammenhang der Fächer und ihr Beitrag zum täglichen Leben wird selten ersichtlich. Das weiß sicherlich jeder aus eigener Erfahrung.
Und so fehlt auch das grundlegende Verständnis beispielsweise von Wirkung und Nebenwirkung, von heilbar und nicht heilbar, von Unterschieden zwischen Studien und Kasuistiken (Einzelfallberichten).
Selbst so intelligente, technik-affine und die Welt verändernde Persönlichkeiten wie Steve Jobs glaubte doch tatsächlich, dass er seinen Krebs mit Diät und Meditation bekämpfen könnte. Vielleicht würde er heute noch leben, wenn er nicht diesem Märchen aufgesessen wäre.
Die Medienmacht
Viele Blogbeiträge haben wir über ungenaue, einseitige oder kontraproduktive Berichterstattung geschrieben, hier nur ein paar Beispiele:
- hart aber unfair: Der Böse ist immer die Pharma
- Faktencheck: Kontraste-Beitrag unter der Lupe
- Ein guter Kommentar auf Pharma-Fakten zu neuem Pharma-Bashing
- Medikamente gibt es nicht zum Schnäppchenpreis
- Vince Ebert extrapoliert – Geldverdienen mit Medikamenten
Aber das jahrzehntelange und einseitige Bashing der Gesundheitsindustrie, die sicherlich durch eine links-alternative Grundeinstellung der Journalisten gekennzeichnet war, hat sich so fest in den Köpfen der Menschen verankert, dass die Schulmedizin, die pharmazeutische Industrie und Ärzte argumentieren können wie sie möchten, es wird nicht geglaubt. Das sind die Geister, die die Medien riefen.
Verschwörungsmythen
Verchwörungsgerüchte wie: die Astronauten haben niemals den Mond betreten, den Angriff „Nine Eleven“ (11.09.2001 auf das Word Trade Center) initiierten die USA selbst, die Barcode-Verschwörung, antisemitische Verschwörungsunterstellungen – all das hat seine Fans und „Beweise“ findet man im Netz. Anhänger der Gerüchte lassen sich meist nicht mehr vom Gegenteil überzeugen, sie sind quasi „verloren“ und finden nur Bestätigung unter sich selbst.
Auch das Verschwörungsgerücht Autismus durch Impfung hält sich mehr als hartnäckig. Es ist ein echtes Problem, denn wenn die Herdenimmunität durch die Impfgegner löchrig wird und uns alle gefährdet, ist das keine Privatangelegenheit mehr, wie die Diskussion um eine Impfpflicht zeigt.
Lässt sich das Ruder herumreißen?
Vermutlich nur durch jahrelanges Argumentieren, eigene Erfahrungen und offene Diskussion, auch in den Medien, lassen Nachwachsende wieder offen für wissenschaftliche Ergebnisse werden. Vielleicht wirkt die Person Trumps selbst, der sich eindeutig auf die Seite der Verschwörungsanhänger begeben hat (s. im Beitrag ab 10:26), als abschreckendes Beispiel. Seine Politik der Fake News als Teil des täglichen Agierens sollte allen Menschen aufzeigen, wohin es führen kann, wenn man alternativen Fakten zu viel Raum gibt.