Anscheinend ist die KV Nordrhein sehr aktiv mit Regressandrohungen. Es häufen sich viele Fälle unter niedergelassenen Ärzten im Gebiet KVNo, in deren Praxen es Aushänge gibt, dass es eine Regressandrohung/einen Regress gab und man bitte Verständnis dafür haben müsse, dass nicht mehr alles rezeptiert werde. Manche Ärzte trifft es sogar doppelt mit einem Arzneimittel- und einem Heilmittel-Regress.
So ein Aushang ist auf jeden Fall sinnvoll, es bereitet die Patienten darauf vor, was sie beim Arztgespräch erwartet. Nicht unbedingt notwendige Medikamente werden gestrichen, bzw. der Arzt wird empfehlen sie selbst zu kaufen und sie höchstens noch auf einem Privatrezept oder grünem Rezept verordnen. Konsequent werden Originalpräparate gegen Generika ausgetauscht. Noch härter trifft es manchmal chronisch Kranke, z.B. Diabetiker, wenn der Arzt einen Heilmittelregress hatte. Dann fallen beispielsweise die Podologie-Termine weg, die oft auch einen sozialen Charakter für die Patienten hatten. Es folgen lange Diskussionen mit Patienten über die zum Teil harten Einschnitte in die gewohnten Verordnungen.
Der Arzt muss einfach seine Konsequenzen ziehen und es dem Patienten deutlich kommunizieren, dass es der Wunsch der Krankenkassen ist, dass nicht mehr alles bezahlt wird. Aber genau das ist die Krux. Der eine oder andere Niedergelassene scheint sich nicht zu trauen die Wahrheit zu sagen. Und das ist der Hintergrund des folgenden Falles.
Kommunikation ist alles, Schweigen bringt Ärger
Eine Patienten sucht wegen einer zurückliegenden Mittelohrentzündung ihren HNO-Arzt auf bei dem sie schon lange in Behandlung ist. Was sie nicht weiß, er ist gerade Opfer einer Regressandrohung geworden. Er bescheinigt ihr ein Trauma im Ohr und rezeptiert ihr ein verschreibungspflichtiges Präparat auf einem grünen Rezept. Und zwar N2, by the way: auch noch Off-Lable. Er weist nicht darauf hin, dass dieses Präparat von ihr selbst bezahlt werden müsse, er schweigt und übergibt kommentarlos das Rezept.
Die Apotheke schweigt nicht, wie so oft. Sie wundert sich natürlich über das grüne Rezept und meint, da würde ein Fehler vorliegen. Dieses Präparat sei erstattungsfähig und jemand hätte das falsche Rezept gewählt.
Ein Anruf bei der Praxis klärt auf, dass dem auf gar keinen Fall so sei. Man hätte kein Budget und seit der Regressandrohung würde der Chef fast ausschließlich auf Privat- oder grünem Rezept verordnen. Nach langem Hin und Her bekam die Patientin einen Termin zum Gespräch.
Dort erfuhr sie, dass kein Patient darüber informiert werde, dass die Medikamente selbst zu zahlen seien. Er wäre auch nicht bereit es zurückzunehmen. Warum dann direkt N2 konnte er aber auch nicht beantworten, Gewohnheit halt.
Der HNO-Arzt ist somit aus dem Mind-Set der Patientin gefallen, in die Praxis setzt sie keinen Fuß mehr.
Patienten müssen entscheiden können
Sicherlich ist es richtig sehr konsequent zu sein, aber man muss Patienten die Wahl lassen. Der Arzt hätte nur sagen müssen: „ich rezeptiere Ihnen etwas aufs Privatrezept, mein Budget ist leider ausgeschöpft, ich kann es Ihnen nicht auf ein Kassenrezept verordnen.“ Die Kundin hätte dann selbst entscheiden können ob sie damit einverstanden ist. Aber nach dem Kauf der Packung war es natürlich zu spät.
So ein Verhalten kann auch zu schlechten Bewertungen im Internet führen. Und diese sind dann nicht zu löschen. Also, lieber sich die Zeit nehmen und dem Patienten den Sachverhalt erklären. Nicht jeder wird dafür Verständnis haben und trotzdem die Praxis wechseln, aber Ehrlichkeit währt bekanntlich am längsten.