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DIE AUTOREN

Karen Thiel
Seit mehr als 20 Jahren bin ich als selbständige Pharma-Expertin für die Bereiche Medical-Marketing und Patient Support tätig. Ich betreue Biopharma, RX, OTC/OTX, Supplements und apothekenexklusive Kosmetik-Marken als Managerin oder Consultant. Ein besonderes Spezialgebiet von mir ist der Aufbau von Patienten-Support-Programmen. Auch Online/Social-Media-Aktivitäten im Healthcare-Bereich zählen zu meinen Kernkompetenzen. Meine Firma heißt KT Projekt. Mein Angebot sowie eine Referenz- und Projektliste finden Sie unter www.ktprojekt.de.
Dr. Martina Hänsel
In der Pharmabranche arbeite ich seit mehr als 20 Jahren und bin seit über acht Jahren freiberufliche Beraterin mit Schwerpunkt auf medizinisch-wissenschaftliche Beratung, Kommunikation und Interim Management. Außerdem absolviere ich einen Master-Studiengang Regulatory Affairs.

LINKS ZU WICHTIGEN PHARMA-WEBSITES

Tendenziöse Berichterstattung in öffentlich-rechtlichen Sendern – wo bleiben die Fakten? Beispiel: ZDFzoom-Beitrag vom 15. Januar 2014

Pharma-Bashing ist in den Medien beliebt. Es kommt gut an beim Publikum. Wie sieht es jedoch mit der Beweisführung dieser Berichte aus? Sind die Sendungen und Artikel „evidence based“? Wir möchten in unserem mehrteiligen Blog den ZDFzoom-Beitrag vom 15. Januar 2014 beleuchten und die Beweisführung des Autors nachvollziehen. Thema waren die Arzneimittelpreise und so lautet der Titel der Sendung: „Teure Tabletten: ZDFzoom über die Macht der Pharmaindustrie“.[1]

Teil 1

Bereits bei der Anmoderation werden die durchschnittlich dreißig neuen Medikamente, die pro Jahr auf den Markt kommen, ausschließlich als Belastung des Gesundheitssystems dargestellt. Was ist mit der Verbesserung der Gesundheit – den Dienst, den sie erfüllen sollen? Dass vielen Menschen mit neuen Medikamenten geholfen wird, findet keine Erwähnung.

Wir folgen den einzelnen Kapiteln der Sendung und beginnen mit dem Teil über frei verkäufliche Medikamente.

OTC-Arzneimittel auf Kasse?

Zu Beginn der Sendung fährt der Autor Klaus Balzer nach Dülmen und besucht eine Frau, die auf staatliche Unterstützung zu ihrem Lohn angewiesen ist. Herr Balzer kritisiert, dass viele Präparate nicht mehr auf Rezept verschrieben werden und dass viele Menschen sich frei verkäufliche Arzneimittel, sog. OTC-Präparate (over-the-counter = frei verkäuflich) nicht leisten können.

Das 2004 eingeführte GMG (GKV-Modernisierungsgesetz), mit dem die Regelung, dass rezeptfreie Arzneimittel, bis auf Bestandteile der Ausnahmeliste, unabhängig von ihrer Wirkung nicht mehr von den gesetzlichen Krankenversicherungen erstattet werden, wurde vom Gesetzgeber ganz klar mit dem Ziel der Kostensenkung implementiert. Es ist bestimmt nicht die „Schuld“ der Pharmaindustrie, dass die frei verkäuflichen Arzneimittel aus der Erstattung gefallen sind.

Außerdem wird nicht diskutiert, dass viele dieser Präparate tatsächlich in ihrer Wirkung umstritten sind, wie z.B. Erkältungsmittel. Sie können die Erkältung nicht heilen. Vielleicht fühlt sich der Betroffene durch viele OTC-Arzneimittel subjektiv besser, aber das ist ein „Wellness-Aspekt“, den die gesetzlichen Krankenkassen verständlicherweise nicht bezahlen möchten. Es entspricht außerdem nicht den Tatsachen, dass ein Virusinfekt, z.B. eine Erkältung, zwangsläufig eine Bakterieninfektion nach sich zieht, die dann antibiotisch behandelt werden muss, wie in dem Beitrag angedeutet wird.

Herr Balzer sucht eine Apotheke in Deutschland auf und kauft 4 frei verkäufliche Arzneimittel: Aspirin, Grippostad, Thomapyrin und ASS. Er zahlt zusammen 22,49 Euro. Was nicht erwähnt wird: OTC-Arzneimittel unterliegen seit 2004 keiner Preisbindung mehr. In einer anderen Apotheke oder bei Internetapotheken hätte Herr Balzer diese Medikamente möglicherweise preiswerter kaufen können, wie man an folgendem Foto sehen kann (z.B. Thomapyrin).

apotheken-preise

Der Autor wies am Anfang der Sendung auf die 19% Mehrwertsteuer hin, die der Staat für Arzneimittel verlangt, aber er rechnete im weiteren Bericht nicht mit Nettopreisen, die für einen Vergleich zwischen den europäischen Ländern Grundlage wären. Denn Deutschland hat mit Dänemark (25%) und Bulgarien (20%) den höchsten Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel EU-weit.[2]

Herr Balzer fährt nach Frankreich und kauft dort ebenfalls Aspirin und Grippostad. Thomapyrin ist dort nicht im Handel. Das ASS ist plötzlich, und für den Fernsehzuschauer kaum erkennbar, gegen ACC akut ausgetaucht. Die zwei Film-Stills zeigen es, wenn auch ein wenig unscharf.

filmstill-deutsch

Es wurden von vorne nach hinten folgende freiverkäufliche Arzneimittel von Herrn Balzer erworben: ASS, Aspirin, Thomapyrin und Grippostad C.

Im folgenden Foto jedoch sieht man von links nach rechts die Präparate Aspirin, ACC akut 600 und Grippostad C, Thomapyrin liegt etwas an der Seite, da es keine Entsprechung in Frankreich gibt.

filmstill-franz

Wir werden den Preisvergleich mit ACC akut 600 durchführen. In Frankreich betrug die Mehrwertsteuer auf OTC-Präparate nach o.g. Quelle 7%, seit Januar 2014 ist sie auf 10% gestiegen. Auf verschreibungspflichtige Arzneimittel beträgt der Mehrwertsteuersatz übrigens 2,1%. Etwas schwierig ist zu sagen, wann die Einkäufe von Herrn Balzer in Frankreich erfolgten. Vermutlich nicht 2014, das wäre für die Produktion des Beitrages zu knapp. Somit ergeben sich folgende Nettopreise für die verglichenen Arzneimittel:

 

*Brutto-Preise einer beispielhaften Internetapotheke zum Vergleich: Aspirin 4,92 Euro, Grippostad 6,95 Euro, ACC akut 6,85 Euro, Thomapyrin 2,45 Euro.

Grippostad C hat in Frankreich eine leicht andere Zusammensetzung (paracétamol 500 mg, maléate de chlorphénamine 4 mg, talc, carboxyméthylcellulose réticulée sodique, laurylsulfate de sodium, silice colloïdale anhydre), aber da die Hauptwirkstoffe Paracetamol und Chlorphenamin-hydrogenmaleat enthalten sind, lassen wir den Vergleich hier zu. (Zusammensetzung Grippostad C: Paracetamol, Chlorphenamin-hydrogenmaleat, Coffein, Paracetamol, Vitamin C (Ascorbinsäure)).[4]

Die Behauptung in dem Beitrag, dass in Frankreich die frei verkäuflichen Arzneimittel generell um 20% preiswerter wären, ist falsch, wie o.g. Tabelle zeigt! Und für deutsche Apotheken gilt: ein Preisvergleich ist empfehlenswert und spart Geld.

In der Sendung ging der Autor von den frei verkäuflichen Arzneimitteln über zu den verschreibungspflichtigen. Die Verquickung in dem Beitrag kann zu einer Verwirrung des Zuschauers führen. Daher gehen wir einen anderen Weg und grenzen beide Bereiche klar von einander ab. Wir werden an dieser Stelle unseren Blog unterbrechen und sukzessive die anderen Kapitel der Sendung beleuchten.

Autorinnen: Martina Hänsel und Karen Thiel



 

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