Looking for something?

DIE AUTOREN

Karen Thiel
Seit mehr als 20 Jahren bin ich als selbständige Pharma-Expertin für die Bereiche Medical-Marketing und Patient Support tätig. Ich betreue Biopharma, RX, OTC/OTX, Supplements und apothekenexklusive Kosmetik-Marken als Managerin oder Consultant. Ein besonderes Spezialgebiet von mir ist der Aufbau von Patienten-Support-Programmen. Auch Online/Social-Media-Aktivitäten im Healthcare-Bereich zählen zu meinen Kernkompetenzen. Meine Firma heißt KT Projekt. Mein Angebot sowie eine Referenz- und Projektliste finden Sie unter www.ktprojekt.de.
Dr. Martina Hänsel
In der Pharmabranche arbeite ich seit mehr als 20 Jahren und bin seit über acht Jahren freiberufliche Beraterin mit Schwerpunkt auf medizinisch-wissenschaftliche Beratung, Kommunikation und Interim Management. Außerdem absolviere ich einen Master-Studiengang Regulatory Affairs.

LINKS ZU WICHTIGEN PHARMA-WEBSITES

Stimmung der Apotheker:innen am Tiefpunkt

Im September haben wir eine Beispielrechnung über den Verdienst von niedergelassenen, also selbständigen, Hausärztinnen und -ärzten gepostet. Neben der Einkommens-Nullrunde, weiteren Kürzungen, die der Bundesgesundheitsheitsminister plant, der Inflation und den steigenden Energiepreisen sind viele Praxen am Limit. Proteste werden laut und es gibt – im kleinen Rahmen – Streiks.

Aber wie sieht die Situation bei den Apotheken aus? Einfache Antwort: Sie werden von den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums – ebenso wie die Arztpraxen – drangsaliert und kämpfen ums Überleben. Und auch sie streiken, auch im kleinen Rahmen.

Zahl der Apotheken sinkt kontinuierlich

Die Autorin erinnert sich noch an Zeiten, da gab es ca. 21.600 Apotheken bundesweit. Fußläufig am eigenen Wohnort 6 Apotheken. Heute sind fußläufig noch 3 Apotheken übrig geblieben. Bundesweit sank die Zahl auf 18.461! Die Anzahl der Filialisten steigt, die der Einzelapotheken sinkt hingegen.

Während man vor 20 Jahren noch von einer Überversorgung sprach, muss man jetzt in manchen Regionen eine Unterversorgung reklamieren. Das ist besonders dramatisch für ältere Menschen und die Landbevölkerung. Eine flächendeckende Versorgung ist nicht mehr überall gewährleistet.

Stimmung der Apotheker:innen am Tiefpunkt

„Die Stimmung unter den selbständigen Apothekerinnen und Apothekern ist so schlecht wie noch nie. Vor dem Hintergrund erwarteter Kürzungen durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz erwarten mehr als vier Fünftel (82,8 Prozent) von ihnen eine negative wirtschaftliche Entwicklung der Branche in den nächsten zwei bis drei Jahren. Im vorigen Jahr lag der Wert noch bei 64,6 Prozent.“ (Quelle: ABDA)

So wie das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz von Gesundheitsminister Lauterbach Ärztinnen und Ärzte hart trifft, so trifft das Gesetz auch die Apotheken hart. In dem Gesetz ist die „Erhöhung des Apothekenabschlags von 1,77 Euro auf 2 Euro je Arzneimittelpackung (auf zwei Jahre befristet)“ vorgesehen. Neben der Inflation, den steigenden Energiepreisen, den Lohnerhöhungen und den steigenden Mieten, müssen auch sie Einkommensverluste hinnehmen. Die Vergütung für die Abgabe von Arzneimitteln ist seit 2015 nicht mehr angepasst worden. Das kommt Ärztinnen und Ärzten sicherlich aus ihrem Bereich ebenfalls bekannt vor.

Die Apotheken, die sowieso schon am Existenzminimum schrappen, werden wohl nicht überleben. Denn die Erhöhung des Apothekenabschlags von 1,77 Euro auf 2 Euro bedeutet hochgerechnet eine Honorakürzung von 120 Millionen Euro netto.

Übrig bleiben Filialisten mit einem großen Angebot an Kosmetik, dubiosen Nahrungsergänzungen und anderen Produkten in der Freiwahl und natürlich die Online-Apotheken. Neben der Kostenproblematik werden Apothekeninhaber:innen auch von Personal- und Nachfolgemangel geplagt. Auch dies eine Gemeinsamkeit mit den ärztlichen Praxen.

Retaxierungen machen Apotheken das Leben schwer

Was bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten die Regresse, sind bei Apotheken die Retaxierungen.

„Bei einer Retaxation verweigert eine Krankenkasse die Bezahlung eines Arzneimittels, das von einer Apotheke an einen GKV-Patienten abgegeben wurde.“ (Quelle: DocCheck Flexikon)

In einer aktuellen Befragung mit 2.000 Teilnehmern, die von DAP Dialog* durchgeführt wurde, gaben nur 13,6 % an, dass sie so gut wie nie eine Retaxation erhalten.  75,4 % erhalten monatlich zwischen 1 und 10 Retaxationen. Die Befragung hat ein Ranking der Krankenkassen erstellt, die am meisten retaxieren**:

  • AOK 54,7 %
  • DAK-Gesundheit 45,7 %
  • BARMER 33,9 %
  • Techniker Krankenkasse 26,5 %

Der häufigste Grund für Retaxationen sei die Nichtbeachtung der Rabattverträge. Fehlende/Fehlerhafte Arztdaten oder fehlende bzw. falsche Dosierung sind ebenfalls Gründe, kommen aber nicht so häufig wie gedacht vor.

Allerdings schlagen in den Praxen häufig Rezeptreklamationen von Apotheken auf, mit dem Hinweis, das Rezept sei angeblich nicht ordnungsgemäß ausgefüllt, obwohl dies in den meisten Fällen über die Praxissoftware erfolgt. Das führt natürlich wiederum zu Unmut in den Praxen, ist es doch doppelte Arbeit.

Die Krankenkassen machen sich hingegen einen schlanken Fuß, schauen weg und zahlen beim leisesten Zweifel lieber mal nicht. So bleiben die Apotheken auf den Kosten für das Rezept sitzen, es zahlt ihnen keiner. In den meisten Fällen legen Apotheken Einspruch gegen Retaxionen ein, natürlich mit begrenztem Erfolg. (Weitere Infos über Retaxierungen sind unter folgenden Links zu finden: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2015/11/06/der-umgang-mit-abgabe-fehlern)

Die Patient:innen bekommen das Problem teilweise mit, indem sie selbst ihr Rezept in der Praxis reklamieren und sich von den genervten Praxismitarbeiter:innen ein neues – nun hoffentlich korrektes – Rezept ausstellen lassen müssen.

Grippeschutzimpfungen ein Bonbon für Apotheken

Die seit Jahren deutlich gerupften Apotheken haben aber eine Aufwertung durch den Gesundheitsminister Lauterbach erfahren, indem sie nun gegen Grippe impfen dürfen. Das Pflegebonusgesetz ermöglicht Grippeschutzimpfungen in Apotheken durch pharmazeutisches Personal (Artikel 3c und 3d). Durch das niederschwellige Angebot soll die Impfquote erhöht werden.

Das bringt wiederum, die Hausärztinnen und -ärzte auf die Palme, denn auch diese mussten Einkommensverluste über die Jahre hinnehmen. Die jährlichen Grippeimpfungen im Herbst/Winter und die neueren Covid-19-Impfungen, die wahrscheinlich nun auch jährlich erfolgen werden, sind zwar nur eine kleine, aber unverzichtbare Einnahmequelle der Praxen. Impfungen durchzuführen ist sicherlich nicht schwer, aber es gehört in die Hand von ausgebildeten Mediziner:innen und ihren medizinischen Fachangestellten.

Paxlovid ein Bonbon für Praxen

Umgekehrt haben aber wiederum Mediziner:innen das Dispensierrecht für bis zu fünf Therapieeinheiten Paxlovid erhalten. Es gilt bis zum 7. April 2023. Das Dispensierrecht gehörte bis dato ausschließlich in die Hand von Pharmazeut:innen. Und da sollte es auch bleiben. Dieses Bonbon trägt wenig zur Zufriedenheit der Praxen bei. Es schürt nur unnötig Streit mit den Apotheken.

(Quelle des Fotos: private Aufnahme einer Paxlovid-Packung)

Wenn zwei sich streiten …

Es gibt ständig Streit zwischen niedergelassenen Ärztinnen/Ärzten und Apotheker:innen. Die beiden Bonbons, also das Impfen in Apotheken und die Abgabe von Paxlovid durch Praxen, trägt nicht gerade zum Frieden bei.

Der Kuchen im Gesundheitsmarkt kann nur einmal verteilt werden und deshalb zerren und ziehen alle am Tischtuch, um am meisten vom Kuchen abzubekommen. Man hackt aufeinander ein und mißgönnt der anderen Seite Einnahmen. So verhält es sich auch zwischen Praxen und Krankenhäusern.

Nur die gesetzlichen Krankenkassen waren bis jetzt immer fein raus. Über ihnen schwebte der Heiligenschein, vertreten sie doch angeblich die Patient:innen-Interessen. Das wird sich hoffentlich bald ändern, die Machenschaften der GKV sind häufig dubios, was wir in einem gesonderten Blogbeitrag diskutieren werden.

Wenn es allerdings um die pharmazeutische Industrie geht, sind plötzlich alle anderen Marktteilnehmer einig: Sie ist grundsätzlich an allem Schuld. Gilt die Industrie doch als der einzige marktwirtschaftliche Player, der sich den größten Anteil vom Kuchen nimmt. Aber auch das stimmt nicht, denn die Preise sind nicht frei kalkulierbar und Deutschland ist mittlerweile Preisdumpingland in Bezug auf Arzneimittelpreise.

Nur der Staat rückt von seinem vollen Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel nicht ab und versucht sich einen großen Teil des Kuchens – zulasten der Krankenversicherungen – abzuschneiden. Und er spielt die Player im Gesundheitsmarkt gegeneinander aus.

Den Fehler des gegenseitigen Bashings sollten die Beteiligten schleunigst ablegen und doch einmal gemeinsam über den Kuchen sprechen und ggf. einen neuen und größeren backen, der dann den Parteien im Gesundheitsmarkt gerechter wird.

 

Lesen Sie auch:

Verdienst von Mediziner:innen

Können Preise fair sein? Was sind faire Preise?

Geldverdienen im Gesundheitswesen

Pharma: Der ewige Buhmann?

Medikamente gibt es nicht zum Schnäppchenpreis

Heilung durch hochpreisige Innovationen

Kommentar zu den Arzneimittelausgaben 2016 von Pharma Fakten

 

* DAP Dialog, Ausgabe 71, Oktober 2022, S. 17f

**Basis: n = 2.192, da Mehrfachnennungen möglich waren

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert