Pharma-Fakten hat einen sehr guten Beitrag zum Thema Arzneimittel und Preise verfasst, den wir mit den wichtigsten Aussagen gerne vorstellen.
Fair im Sinne des Betrachters
Krankenkassen beurteilen den Preis für ein Arzneimittel sicherlich anders als Investoren oder die Unternehmen selbst. Wie kann man sich dem Streitthema über „faire“ Preise nähern?
Am Anfang steht die Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln und die damit verbundenen Risiken und Kosten: Die Entwicklung eines neuen Medikamentes benötigt mehrere Jahre, häufig mehr als 10. Die Kosten für klinische Studien sind erheblich. Viele der erforschten Wirkstoffe erreichen gar nicht erst die Zulassung.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Zulassung ab Phase I der klinischen Studie beträgt für alle Entwicklungskandidaten ca. 10 % und ca. 12 % für alle Indikationen außerhalb der Onkologie. Im Bereich der Onkologie gibt es also die häufigsten Fehlschläge. (2)
Über die Kosten der Arzneimittelentwicklung wird gestritten. (4) Aber das ist für die Preisfindung gar nicht das Wichtigste. Pharma-Fakten formuliert es so:
„Innovationsanreize“ ist das Schlüsselwort. Die Preise signalisieren Investor:innen und Forschenden, dass solche Innovationen gewünscht sind – und entsprechend honoriert werden. Sie sind der Antrieb dafür, dass privatwirtschaftlich agierende Unternehmen das Risiko eingehen, sich komplexen wissenschaftlichen Fragestellungen zu widmen. Preise für Arzneimittelinnovationen sind im Grunde der Motor, der den Innovationszyklus in Gang hält.“ (1)
Und dazu gehört auch die Garantie von Patentschutz.
Seltene Erkrankungen erfoschen
Vor der Forschung steht außerdem die Frage: „Auf welchem Krankheitsfeld soll sich unser Unternehmen engagieren?“ Viele Personen kritisieren, dass pharmazeutische Unternehmen seltene Erkrankungen nicht erforschen und dagegen Therapien entwickeln, sondern auf sog. „Schnelldreher“ setzen. Was dabei nicht bedacht wird: Wenn es nur wenige Patienten weltweit gibt, muss sich die Forschung rechnen und deshalb kostet die Therapie entsprechend. Beispiel: Zolgensma, das teuerste Medikament der Welt. Novartis meint dazu:
„Unser Preismodell ruht auf drei Säulen: der hohe Nutzen der Einmal-Gentherapie, die kleine Patientenpopulation und die Investitionen in Forschung und Entwicklung, auch nach der Zulassung“, erzählt Andrea Hofmaier, Chefin von Novartis Gene Therapies in Deutschland.“ (3)
Die Ethikfalle
Im Prinzip unterliegt die pharmazeutische Industrie derselben „Ethikfalle“ wie Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen und Physiotherapeuten: Die Erwartungshaltung der Bevölkerung und vieler Medien ist „Aufopferung“. Geld für die Arbeit am Menschen, an seiner Gesundheit zu verdienen, mutet unethisch an. Das Gegenteil ist der Fall: Je mehr Verdienst, desto mehr setzt sich das Unternehmen und die Person ein.
Pharma-Fakten schreibt:
„Forschende Pharma- und Biotechnologieunternehmen entwickeln Arzneimittel, damit sie a) Krankheiten besser behandeln oder – Stichwort Impfstoffe – besser verhindern können, um damit b) Geld zu verdienen. Denn wenn sie kein Geld verdienen, können sie weder die Wissenschaftler:innen bezahlen noch die Investitionen tätigen, die dafür nötig sind. Und sie bekommen auf Dauer auch kein Geld von Risikokapitalgebern. Sprich: Sie sind ganz normale Unternehmen – nur eben mit besonders sensiblen Produkten.“(1)
Der volle Mehrwertsteuersatz
Der Staat wünscht sich (ganz heimlich) hohe Preise, denn 19 % Mehrwertsteuer sind willkommene Steuereinnahmen. Die Mehrwerktsteuer auf Arzneimittel wird gerne vergessen, wenn man Arzneimittelpreise in Europa vergleicht. Nur Deutschland, Dänemark und Bulgarien erheben den vollen Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel. Die meisten Länder erheben den halben Satz oder haben individuelle Sätze.
Einigen Staaten besteuern verschreibungspflichtige bzw. erstattungsfähige Arzneimittel mit einer niedrigeren Mehrwertsteuer als frei verkäufliche bzw. nicht erstattungsfähige Arzneimittel. Kann das nicht auch ein Modell für Deutschland sein? Selbstmedikation behält demnach 19 % Mehrwertsteuer, RX-Arzneien den halben Mehrwertsteuersatz.
Um Geld wieder zurück zum Staat zu führen, erhalten im Gegenzug Nahrungsergänzungsmittel den vollen Mehrwertsteuersatz und zählen nicht mehr zu den Lebensmitteln mit halbem Satz.
Unsere Gesundheit von morgen
Mit höheren Preisen sichern wir also unsere Gesundheit von morgen und die unserer Kinder. Vielleicht sollten wir nicht alle zwei Jahre das neueste Smartphone kaufen und statt eines umweltschädlichen SUVs ist vielleicht doch ein Kleinwagen ausreichend. Dann bleibt einiges Geld übrig. Wir sollten uns überlegen, ob wir nicht in unsere eigene Gesundheit investieren und nicht ab sofort wirklich „faire“, sprich höhere, Preise zahlen, für Arzneimittel genauso wie für Lebensmittel.
„Die Umsätze von heute finanzieren den Fortschritt von morgen, der dann nach Zulassung den Fortschritt von übermorgen finanziert.“ Wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Erfolg gehören zusammen; nur wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen können es sich leisten, sich auf dieses Geschäftsmodell einzulassen. Sind sie es nicht, wird der medizinische Fortschritt ausgebremst.“ (1)
Quellen:
(4) https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/60946/Diskussion-um-Kosten-der-Pharmaforschung
Blogbeiträge zum Thema:
Vince Ebert extrapoliert – Geldverdienen mit Medikamenten
Geldverdienen im Gesundheitswesen
Die Geister, die die Medien riefen – Mangelndes Vertrauen in die Medizin
Medikamente gibt es nicht zum Schnäppchenpreis