Die Diskussion über Krebsfrüherkennung kommt immer wieder auf und wird in Artikeln und Fernsehbeiträgen eher kritisch diskutiert. Besonders häufig wird das Contra beim Thema Mammographie platziert.
So beispielsweise in der 3sat-Sendung nano vom 16. Dezember 2014. In der Anmoderation des Themas Krebsfrüherkennung durch das Mammographie-Screening wird bereits die Meinung der Redaktion vorweg genommen: „Die Methode richtet mehr Schaden an als sie nützt…… Macht uns die moderne Medizin krank?“ (http://www.3sat.de/mediathek/index.php?mode=play&obj=48390). Eine Diskussion mit Pro und Contra ist nicht zu erwarten und tatsächlich geht dieser Beitrag mit Ausnahme des Interviews von Prof. Norbert Donner-Banzhoff so einseitig weiter. Dies ist nur ein Beispiel der manipulatorischen Berichterstattung der Medien über Krebsfrühdiagnosen.
Richtig ist, man sollte alle Methoden und Therapien überprüfen und immer wieder in Frage stellen. Es ist nichts in „Stein gemeißelt“ und die Wissenschaft entwickelt sich weiter, daher werden immer neue Studien zu dem Thema publiziert. Und wir Frauen würden uns freuen, wenn wir eine sichere Vorsorgeuntersuchung hätten, die weniger unangehm als eine Mammographie wäre.
Der o.g. 3sat-Beitrag nutzt als wissenschaftliche Hauptquelle Peter Jüni, Direktor des Schweizer Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern, der große Zweifel am Massenscreening hat. Weiterhin zeigt die Sendung eine Betroffene, bei der ein „verkapselter Tumor“ gefunden wurde, der möglicherweise nie ausgebrochen wäre. Es handelt sich um eine sog. Überdiagnose. Ja, das passiert. Es ist auf der anderen Seite aber nicht auszuschließen, dass sie vielleicht im Alter von über 70 zu einem Brustkrebsfall geworden wäre. Darauf wird nicht hingewiesen.
Es wird in dem Bericht außerdem keine Frau vorgestellt, bei der ein aggressiver Tumor im Stadium T1 entdeckt wurde, der somit gut behandelbar war. Warum nicht? Ganz einfach, weil der Beitrag tendenziös sein möchte. Und genau dieses muss vielen Medienberichten zu dem Thema vorgeworfen werden.
Offen werden Pro und Contra im Portal für das Mammographie-Screening-Programm selbst diskutiert: http://www.mammo-programm.de/pro-und-contra/ Dort wird auch auf eine mögliche Überdiagnose hingewiesen, die zu einer Übertherapie führen kann.
Auf dieser Seite wird auch diskutiert, dass durch das Screening Tumore in einem sehr frühen Stadium und ohne Lymphknotenbeteiligung entdeckt werden (http://www.mammo-programm.de/download/Factsheet%20Evaluationsbericht%202011%282%29.pdf). Patientinnen haben im Stadium T1 viel bessere Heilungschancen auch wenn die Überlebensraten von Brustkrebspatientinnen durch neue Therapieoptionen auch bei fortgeschrittenen Stadien per se gestiegen sind.
Und auch das Robert-Koch-Institut, Zentrum für Krebsregisterdaten läßt die Frage noch offen ob das Mammographie-Screening auf lange Sicht erfolgreich sein wird. Denn nur wenn die Tumorstadien T2 – T4 deutlich sinken, ist von einem Erfolg zu sprechen. (http://www.krebsdaten.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/2012_4_Krebserkrankungen.pdf;jsessionid=AEE45732FF12B23B8D26A01243670EDC.2_cid381?__blob=publicationFile)
Wie hoch ist überhaupt prozentual gesehen die Gefahr der Übertherapie? Puliti et al. (2012) schätzen den zu erwartenden Anteil zwischen ein bis zehn Prozent (Mamma-Screen-Überdiag).
Soll man also der Empfehlung von Peter Jüni folgen und nicht zum Screening gehen? Sollte man sich vor eine Überdiagnose schützen? Das wäre genauso als wenn ein niedergelassener Arzt sich für ein altes und schlechtes Sonogerät entscheidet und meint, so könne es nicht zu Übertherapien kommen weil er erst gar nichts entdeckt. Vielleicht sollten wir uns die Frage stellen, ob nicht die Diagnostik das Problem ist, sondern der daraus folgende therapeutische Algorithmus?
Und welche Arroganz versteckt sich dahinter, wenn gesagt wird, dass in der Mammographie-Screening-Gruppe vier Frauen an Brustkrebs sterben und in der Vergleichsgruppe ohne Screening fünf Frauen, also nur eine mehr. Ist diese Frau das Leben nicht wert? Es könnte die eigene Mutter, die Schwester, die Freundin sein! Sind wir schon an dem Punkt angelangt, an dem wir Leben aufwiegen?
Frauen sollten eine offene Diskussion verlangen, aber keine tendenziösen Beiträge. Die Medien spielen sich immer mehr als vierte Gewalt im Staat auf und geben Meinungen vor. Das geht an der Meinungsfreiheit vorbei und kann gut und gerne als Meinungsbeeinflussung bezeichnet werden. Sie führt zu einer Verunsicherung von Patientinnen und kann im schlimmsten Fall zum Tode führen!