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DIE AUTOREN

Karen Thiel
Seit mehr als 20 Jahren bin ich als selbständige Pharma-Expertin für die Bereiche Medical-Marketing und Patient Support tätig. Ich betreue Biopharma, RX, OTC/OTX, Supplements und apothekenexklusive Kosmetik-Marken als Managerin oder Consultant. Ein besonderes Spezialgebiet von mir ist der Aufbau von Patienten-Support-Programmen. Auch Online/Social-Media-Aktivitäten im Healthcare-Bereich zählen zu meinen Kernkompetenzen. Meine Firma heißt KT Projekt. Mein Angebot sowie eine Referenz- und Projektliste finden Sie unter www.ktprojekt.de.

Dr. Martina Hänsel
In der Pharmabranche arbeite ich seit mehr als 20 Jahren und bin seit über acht Jahren freiberufliche Beraterin mit Schwerpunkt auf medizinisch-wissenschaftliche Beratung, Kommunikation und Interim Management. Außerdem absolviere ich einen Master-Studiengang Regulatory Affairs.

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AIDS besiegen? Nur mit mehr Gleichstellung! (Teil 1)

Weltweit rund 38,4 Millionen Infizierte, rund 1,5 Millionen Neuinfizierte mit stagnierender bzw. in einigen Weltteilen steigender Tendenz, 650.000 Tote im vorletzten Jahr [1]: Nein, hier ist nicht die Rede von der Corona-, sondern von der HIV-Pandemie. Trotz aller in den letzten Jahren erzielten Fortschritte bei der Prävention und Therapie ist es im Rahmen der COVID-19-Pandemie weltweit zu einem erheblichen Einbruch der HIV-Serviceangebote und Versorgungssituation gekommen [2]. Nicht umsonst ist der im Juli 2022 vorgelegte UNAIDS-Bericht mit der Überschrift „In Danger“ („In Gefahr“) versehen worden. [3] Eine maßgebliche Ursache an der unbefriedigenden Situation: Die Ungleichbehandlung von Mädchen und Frauen. „Es braucht einen feministischen Routenplan.“, so die Generaldirektorin von UNAIDS, Winnie Byanyima. Der heutige Internationale Frauentag soll Anlass sein, dieses Thema in internationalen und – in einem zweiten Teil – in deutschem Rahmen zu beleuchten.

 

HIV steht als Abkürzung für „Human Immunodeficiency Virus („Abwehrschwäche-Virus beim Menschen“). Dieses Virus schädigt oder zerstört Zellen der Immunabwehr. Ohne wirksame Behandlung kann der Körper nach einer HIV-Infektion Krankheitserreger wie Bakterien, Pilze oder Viren nicht mehr bekämpfen. Dann treten – früher oder später – Erkrankungen auf, wie zum Beispiel schwere Lungenentzündungen, Cytomegalie, Kaposi-Sarkom, Hefepilzinfektionen der Mundhöhle. In diesem Stadium spricht man von AIDS. Betroffene sterben nicht direkt am HI-Virus, sondern an einer dieser Krankheiten, die der Körper nicht mehr bekämpfen kann.

Eine HIV-Infektion ist heute gut behandelbar. Geblieben sind Diskriminierung und Stigmatisierung.

Eine HIV-Infektion ist auch heute noch nicht heilbar, aber behandelbar. Es gibt mittlerweile wirksame Medikamente (HAART – Highly Active Antiretroviral Therapy, Kombinationstherapien) [6], die die Viruslast im Körper senken und damit den Ausbruch von AIDS verhindern. Wer heute HIV-positiv und mit seinen Medikamenten gut eingestellt ist, kann andere nicht mehr anstecken, ein ganz normales Leben mit ganz normaler Sexualität führen und ohne Einschränkung Kinder zeugen bzw. bekommen. Zudem gibt es die Möglichkeit, dass sich HIV-Negative vor einem HIV-Kontakt schützen können (PrEP – Prä-Expositions-Prophylaxe) [4]. Erfolge unter anderem dank der modernen pharmazeutischen Forschung.

Geblieben sind aber Diskriminierung und Stigmatisierung.

Woher ein*e Infizierte*r die HIV-Infektion hat, ist vollkommen egal.*

Als die Krankheit in den achtziger Jahren bemerkt wurde, machte zunächst das Wort von der „Schwulenpest“ die Runde, und die Erkrankung wurde als Gay-Related Immune Deficiency (GRID) bezeichnet [5]. Waren doch zunächst vor allem homosexuelle Männer betroffen. Später zeigte die moderne Forschung die Übertragungswege auf (Blut und andere infektiöse Körperflüssigkeiten, vor allem Sperma, Vaginalsekret und der Flüssigkeitsfilm auf der Darmschleimhaut; nicht durch Körperflüssigkeiten wie Speichel, Tränen, Schweiß, Urin, Sputum u. a.). Damit war klar, dass auch Frauen HIV-infiziert werden können und damit ebenso der Aufklärung, Untersuchung, Vorsorge und Therapie bedürfen wie Männer – ohne Schuldzuweisungen irgendwelcher Art. Der Satz aus den Neunzigern „AIDS hat man nicht, man holt es sich.“ [6] ist vollkommen überholt!

Gefährliche Ungleichheiten – die Treiber der AIDS-Pandemie

Was hat es also mit den steigenden Infektionszahlen in vielen Teilen der Welt auf sich? Der UNAIDS-Bericht vom Juli 2022 [3] bzw. eine Pressemitteilung der Organisation vom November 2022 [7] bringen es auf den Punkt: „Dangerous unequalities“ – „Gefährliche Ungleichheiten“ sind die Ursache dafür, dass das Ziel, die AIDS-Pandemie bis 2030 zu beenden, in Gefahr ist!

Einige Fakten aus dem Bericht:

  • In Gebieten mit hoher HIV-Belastung haben Frauen, die Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen wurden, ein bis zu 50 % höheres Risiko, sich mit HIV zu infizieren.
  • In 33 Ländern konnten zwischen 2015 und 2021 nur 41 % der verheirateten Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren ihre eigenen Entscheidungen über ihre sexuelle Gesundheit treffen.
  • In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, in denen die Ungleichheit besonders ausgeprägt ist, entfielen 63 % der HIV-Neuinfektionen im Jahr 2021 auf Frauen.
  • Bei heranwachsenden Mädchen und jungen Frauen (im Alter von 15 bis 24 Jahren) ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren, dreimal so hoch wie bei heranwachsenden Jungen und jungen Männern derselben Altersgruppe in Afrika südlich der Sahara. Der treibende Faktor ist Macht.
  • Die Anfälligkeit von Mädchen für HIV-Infektionen sinkt um bis zu 50 %, wenn sie bis zum Abschluss der Sekundarstufe in der Schule bleiben können.
  • Wenn dies durch ein Paket von Unterstützungsmaßnahmen zur Stärkung der Handlungskompetenz ergänzt wird, sinkt das Risiko der Mädchen sogar noch weiter.

Wenn AIDS also beendet werden soll, müssen die politischen Entscheidungsträger dafür sorgen,

  • dass Frauen vor Gewalt geschützt werden,
  • dass Minderjährige nicht verheiratet werden,
  • dass alle Mädchen die Schule besuchen,
  • dass sie wirtschaftliche Möglichkeiten für eine hoffnungsvolle Zukunft erhalten,
  • dass die Machtdynamik des Patriarchats unterbrochen und
  • dass schädliche Geschlechternormen beendet werden.

Dass die Ungleichheit beendet wird. Kurzum: Ein feministischer Weg.

Von mehr Gleichstellung würden alle profitieren

Profitieren würden bei einer Gleichstellung der Geschlechter alle: Während 80 % der HIV-infizierten Frauen im Jahr 2021 eine Behandlung in Anspruch nahmen, waren es bei den Männern nur 70 %. Auch das Aufbrechen alter Rollenbilder und toxischer Männlichkeit würde allen helfen.

Weniger Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen und Sexarbeit kann helfen. In über 68 Ländern der Welt werden homosexuelle Beziehungen kriminalisiert. Analysen ergaben, dass Männer, die Sex mit Männern haben, in afrikanischen Ländern mit repressiven Gesetzen mit einer dreimal geringeren Wahrscheinlichkeit ihren HIV-Status kennen. Bei Sexarbeiter*innen, die in Ländern leben, in denen Sexarbeit kriminalisiert wird, ist die Wahrscheinlichkeit, mit HIV infiziert zu sein, siebenmal höher als in Ländern, in denen Sexarbeit legal oder teilweise legalisiert ist.

Und nicht zuletzt würde die Beseitigung von Ungleichheiten beim Zugang zur Behandlung von Kindern helfen: Während mehr als drei Viertel der erwachsenen HIV-Infizierten eine antiretrovirale Therapie erhalten, bekommt nur etwas mehr als die Hälfte der Kinder mit HIV das lebensrettende Medikament. Im Jahr 2021 machten Kinder nur 4 % aller mit HIV lebenden Menschen aus, aber 15 % aller AIDS-bedingten Todesfälle. Behandlung rettet das Leben von Kindern, unserer Zukunft.

(Alle Zahlen aus [7].)

„Wir wissen, was zu tun ist.“

„Wir wissen, was zu tun ist, um die Ungleichheiten zu beseitigen“, sagte Winnie Byanyima von UNAIDS [7]. Förderung und Bildung von Mädchen und Frauen, Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt, Förderung nicht-toxischer Männlichkeit, Zugang zur Behandlung für HIV-infizierte Kinder, Entkriminalisierung von Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen, Sexarbeitern und Drogenkonsumenten und Investitionen in gemeinschaftsgeführte Dienste, die ihre Eingliederung ermöglichen.

FAZIT: Gleichstellung überall auf der Welt ist eine Voraussetzung, um die AIDS-Pandemie zu beenden.

 Quellen und Anmerkungen:

1  Zahlen: Statista Research Department, https://de.statista.com/themen/1483/hiv-aids-weltweit/#topicHeader__wrapper, Zugriff 5.01.2023

2  Rockstroh, J.: Magazin der AIDShilfe Köln, Vorwort, Ausgabe 2022

3  UNAIDS: gemeinsames Programm der Vereinten Nationen zu HIV/AIDS; https://www.unaids.org:  In Danger: UNAIDS Global AIDS Update 2022, https://www.unaids.org/en/resources/documents/2022/in-danger-global-aids-update, Zugriff 28.02.2023

4  Deutsche AIDS-Hilfe: HIV-PrEP, https://www.aidshilfe.de/hiv-prep#das-wichtigste-ber-die-prep, Zugriff 24.01.2023

5  Wiktionary: Schwulenpest; https://de.wiktionary.org/wiki/Schwulenpest, Zugriff 22.01.2023

6  Pharma-Fakten: Welt-AIDS-Tag: HAART war die Wende; 22.1..2018; https://pharma-fakten.de/grafiken/698-welt-aids-tag-haart-war-die-wende/, Zugriff 22.01.2023

7  UNAIDS Press release: Inequalities are blocking the end of the AIDS pandemic, say UN, 29.11.202; https://www.unaids.org/en/resources/presscentre/pressreleaseandstatementarchive/2022/november/20221129_dangerous-inequalities, Zugriff 24.01.2023

Eine Episode der 11. Welt-AIDS-Konferenz 1996 in Vancouver: Eröffnet wurde die Konferenz in Vancouver von einer den meisten unbekannten Dame mittleren Alters im eleganten Hosenanzug: Dorrie Millmann. „Ich bin hier, um offiziell die 11. Internationale AIDS-Konferenz zu eröffnen. Ich weiß, dass sie sich wahrscheinlich wundern, warum ich dafür ausgewählt wurde. Nun, ich habe AIDS. Menschen fragen mich immer wieder, wie ich, eine Großmutter aus Nord-Vancouver, habe AIDS bekommen können.“ Eine Pause, während der die 15.000 Teilnehmer den Atem anhalten: „Ich antworte ihnen: Das ist vollkommen egal.“

 Abbildungen:

  • Redleaf_Lodi auf Pixabay
  • Kampagnenmotiv der AIDSHilfe Köln, Welt-AIDS-Tag 2022
  • UNAID Press release, November 2022

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